Die Bezirksämter mögen im politischen System zwar etwas exotisch wirken, aber sie sind weder undemokratisch noch unpolitisch

Linksfraktion in der BVV

Rede des Fraktionsvorsitzenden der Linksfraktion in der BVV am 26.02.2009 zum Grünen-Antrag "Politisches Bezirksamt"

 

Rede des Fraktionsvorsitzenden der Linksfraktion in der BVV am 26.02.2009 zum Grünen-Antrag "Politisches Bezirksamt"

 

 

Herr Vorsteher, meine Damen und Herren,


zunächst mal: es gab ja im Vorfeld eine Diskussion, ob wir hier Resolutionen oder zu welchen Themen wir Resolutionen fassen sollten. Ich finde es absolut legitim, dass wir uns hier mit Themen befassen, die für den Bezirk wichtig sind. Wir haben ein allgemeinpolitisches Mandat und können und sollen uns auch mit Angelegenheiten befassen, die wir in der Sache nicht zu entscheiden haben. Ob wir dies im Rahmen einer Empfehlung oder einer Resolution machen, ist mir gleich.


Dennoch ist es sicherlich etwas besonderes, eine bestehende Gesetzeslage lediglich zu begrüßen. Und der letzte Satz in Ihrem Antrag, in dem Sie eine Präzisierung des Bezirksverwaltungsgesetzes anregen, ist nicht erforderlich, da dies hinreichend eindeutig geregelt ist. Bei allen Bezirksamtswahlen, die nach dem 1. Januar 2010 stattfinden fällt das bisherige Proporzsystem weg, daraus zu schlussfolgern, dass wir 2010 ein neues Bezirksamt zu wählen haben ist schlicht nicht zutreffend, denn auch wenn § 35 II außer Kraft tritt, bleibt Absatz 1 davon unberührt. Sie haben also noch etwas Zeit, darüber nachzudenken, welche grüne Personalie bezirksamtstauglich ist.


Aber lassen Sie mich einige grundsätzliche Bemerkungen machen. Das politische System in der Bundesrepublik, sowohl im Bund, als auch in den Ländern und den meisten Kommunen ist konkurrenzdemokratisch aus Regierungsmehrheit und Opposition aufgebaut. Die politische Verwaltungsspitze der jeweiligen Ebene, die Regierung oder ein Dezernentengremium in der Kommune, wird immer nur von einer theoretisch kleinstmöglichen parlamentarischen Mehrheit getragen. Dieses Wechselspiel aus Opposition und Regierungsmehrheit, obwohl es in der Wirklichkeit und im parlamentarischen Alltag immer wieder den gleichen Mustern folgt, Initiativen der Regierungsmehrheit werden angenommen, die der Opposition abgelehnt, macht vermeintlich erst den Charme von Demokratie aus. Ein solches konkurrenzdemokratisches Prinzip ist damit auf Polarisierung aus und damit vielleicht medientauglicher.


Der Gesetzgeber in Berlin hatte sich allerdings für ein konkordanzdemokratisches Prinzip in den Bezirken entschieden, also dass alle wesentlichen Parteien entsprechend ihrem Wahlergebnisses das Bezirksamt gemeinsam bilden. Dieses Prinzip ist auf möglichst breite Konsensbildung aus. Sogar richtige Länder werden danach regiert - am prominentesten: die Schweiz.


Damit mögen die Bezirksämter im politischen System zwar etwas exotisch wirken, aber sie sind weder undemokratisch noch sind sie, das legt ja die Begrifflichkeit nahe, unpolitisch. Ich finde, es ist der demokratischen Kultur durchaus zuträglich, wenn die unterste Verwaltungsebene über parteipolitische Lager hinweg auf eine sehr breite Konsensbildung angelegt ist. Das muss kein Modell für das ganze Land sein.


Es führt jedoch in der Auseinandersetzung in den Bezirksverordnetenversammlungen zu einem höheren Maß an Sachlichkeit, aber gleichzeitig auch zu mehr Dynamik, wenn Mehrheiten und Abstimmungsergebnisse nicht schon von vornherein feststehen.


Eine solche Debatte kann man demokratietheoretisch und wissenschaftlich abstrakt führen, am Ende werden Sie feststellen, dass die jeweiligen Kreis- oder Bezirksverbände immer die Position vertreten, die zu mehr Plätzen für sie im Bezirksamt führen. So ehrlich muss man sein.

 

Ein Landesparteitag meiner Partei hat gegen den erbitterten Widerstand der Delegation aus Treptow-Köpenick und anderer mehr mehrheitlich beschlossen unter bestimmten Umständen am sogenannten „Politischen Bezirksamt“ festzuhalten. Ein Landesparteitag des Koalitionspartners hat das Gegenteil beschlossen. In dieser Angelegenheit wünsche ich der SPD eine erfolgreiche Auseinandersetzung innerhalb der Koalition.


Meine Fraktion wird diesen Antrag ablehnen.

 

Philipp Wohlfeil

Vorsitzender der Linksfraktion