Gysi meint ... Zeitenwende – mehr Brandt wagen

Die außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen für unser Land haben zugenommen. Aber Koalition, Union und AfD wollen eine Zeitenwende hin zu massiver Aufrüstung, zu einem noch stärkeren Waffenexport, nicht zu einer Verteidigungsfähigkeit, sondern zu einer Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr, zu zunehmenden Konfrontationen. Mancher fabuliert jetzt schon von vier statt zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bundeswehr und Aufrüstung, also 160 statt 80 Milliarden Euro pro Jahr, was auch schon zu viel ist. Da bliebe praktisch nichts mehr für sozialen Ausgleich und öffentliche Investitionen. Was wir wirklich benötigen, ist eine Zeitenwende hin zu deutlich mehr Diplomatie, Interessenausgleich, friedlichen Konfliktlösungen, Deeskalation und strikter Wahrung des Völkerrechts durch alle Seiten und zu einer neuen Friedensordnung in Europa, in die Russland so einbezogen wird, dass wir künftig in Europa Kriege ausschließen können. Der Westen konnte nach dem Ende des Kalten Krieges und der Systemkonfrontation nicht aufhören zu siegen und brach mit dem Krieg gegen Serbien und der Lostrennung des Kosovo als erste das Völkerrecht. Das hat Schule gemacht. Diese Entwicklung hat Kriege wieder zu einer fürchterlichen Normalität werden lassen und treibt die Welt in einen neuen Rüstungswettlauf. Und nun will ausgerechnet ein sozialdemokratischer Kanzler das Geld für diese Art Zeitenwende beim sozialen Zusammenhalt einsparen. Die Koalition hat die 12 Milliarden Euro für eine Grundsicherung für 2,8 Millionen von Armut bedrohte Kinder nicht, will aber nun das Zigfache davon per Zeitenwende für Panzer, Raketen und Kampfflugzeuge ausgeben. Ja, wir brauchen eine Zeitenwende, aber die muss die Ursachen von Kriegen beseitigen und nicht das Land kriegstüchtig machen. Für Willy Brandt war Krieg die „Ultima Irratio“. Wir müssen wieder mehr Brandt wagen.


Dieser Artikel stammt aus dem blättchen vom März 2024. Die Zeitungen des Bezirksvorstandes und der Fraktion können hier runtergeladen werden. Beide Zeitungen gibt es auch als kostenloses Abo.