Video: Antisemitismus entgegentreten - Vor der eigenen Haustüre kehren

Aus dem Rathaus

Bild: Aus Solidarität mit den Opfern des Hamas-Angriffs auf Israel wurde am Rathaus die israelische Flagge aufgezogen.


Redebeitrag in der BVV am 16. November von Philipp Wohl­feil, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, zum gemeinsamen Antrag „Nie wieder ist jetzt – Treptow-Köpenick stellt sich gegen Antisemi­tismus“ von SPD, CDU, DIE LINKE, B‘90Grüne, Tierschutzpartei, FDP:

Auf beiden Seiten verhindern Extre­mist:innen mit ihrem Hass und mit ihren Maximalforderungen eine Lösung dieses Konfliktes. Wäre der in Oslo so vielversprechend begonnene Prozess erfolgreich abgeschlossen worden, hätte die jugendliche Bevölkerungsmehrheit im Gazastreifen in Frieden aufwachsen können, wären Raketenangriffe auf Israel unterblieben, wären die Gewalt und der Siedlungsbau im Westjordanland gestoppt worden. Und wir können das ja nicht ganz isoliert betrachten, auch die schrecklichen Verbrechen der Hamas vom 7. Oktober, Morde, Vergewaltigungen und Geiselnahmen, hätten wohl nicht stattgefunden und die militärische Reaktion Israels wäre nicht notwendig geworden. Was für eine Tragik. Diese Ereignisse bewegen uns auch in Berlin. Die jüdische bzw. israelische und die palästinensische community leiden mit ihren Freund:innen und Angehörigen. Die Auseinandersetzungen werden hier in die Wohnzimmer und auf die Straße getragen, Menschen und Einrichtungen werden bedroht. Angeheizt wird die ohnehin schon schwierige Lage noch von Recep Tayyip Erdogan, der morgen in Berlin sein wird. Ich hoffe, der Bundeskanzler findet deutliche Worte. Mit unserem Antrag setzen wir nicht nur Zeichen, sondern wollen auch konkrete Maßnahmen für Verständigung und Aussöhnung jedenfalls bei uns in Treptow-Köpenick umsetzen.

So verstörend die Bilder mit dem Jubel und dem Verteilen von Süßigkeiten auf der Sonnenallee als Reaktion auf die brutalen Terroranschläge der Hamas waren, so abscheulich die Angriffe auf Synagogen in den letzten Wochen waren, müssen wir doch zwei Dinge im Blick behalten:

1. Mitgefühl und Solidarität mit der leidenden palästinensischen Zivilbevölkerung sind nicht antisemitisch, auch die Menschen in Gaza sind Geiseln und Opfer der Hamas,

2. Zeigen wir vor dem Hintergrund der deutschen Vergangeheit mit dem Finger nicht so schnell auf andere: sprachliche Codes, Elitenschelte und Verschwörungstheorien vornehmlich in der Rechten, auch in der AfD, sind antisemitisch konnotiert, das antisemitische Flugblatt in der Schultasche von Hubert Aiwanger wurde wohl kaum von einem Palästineser da reingesteckt und der Anschlag am Jom Kippur auf die Synagoge in Halle gehen auf das Konto eines Deutschen.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es einen sich links verortenden Israelhass gibt. Antisemitismus ist tiefer verankert, als manche wahrhaben wol­len, missbrauchen wir die schreck­lichen Ereignisse im Nahen Osten nicht in der Debatte um Flucht und Migration, ohne die Augen vor realen Problemen zu verschließen, und vor allem kehren wir auch vor der eigenen Haustür.


Dieser Artikel stammt aus dem blättchen vom Dezember 2023.  Die Zeitungen des Bezirksvorstandes und der Fraktion können hier runtergeladen werden. Beide Zeitungen gibt es auch als kostenloses Abo.