Erinnerung an jüdisches Leben im Bezirk

Aus dem Rathaus
Treptow-Köpenick

Vor 110 Jahren entstand die Synagoge in der Freiheit 8

Zum bevorstenden Feiertag zum 75. Jahres­tag der Befreiung vom Faschismus forderte Philipp Wohlfeil, Fraktionsvorsitzender der Partei DIE LINKE in der BVV, ein Gedenken auch an jüdisches Leben im Bezirk. Wir dokumentieren hier Wohlfeils Redebeitrag in der BVV:

In diesem Jahr ist es ein Dreivierteljahrhundert her, dass Europa und Deutschland vom Nationalsozialismus befreit wurden und den in seinem Namen verübten Verbrechen ein Ende gesetzt wurde. In Berlin würdigen wir dieses Ereignis mit einem gesetzlichen Feiertag am 8. Mai.

Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz von den Soldaten der Roten Armee befreit. Ihnen bot sich ein Bild des Grauens: 600 Leichen und 7000 verängstigte Menschen, in Lumpen gekleidet, frierend, die meisten von ihnen fast verhungert und krank, eingesperrt hinter kilometerlangen Elektrozäunen. Und dabei stand dieser Eindruck in keinem Verhältnis zur unfassbaren Gesamtdimension des Völkermords an Jüdinnen und Juden und Roma und Sinti und des Mords an Polen und sowjetischen Kriegsgefangenen. Auschwitz steht stellvertretend als Symbol für Shoah und Porajmos.

Wir wollen diesen Jahrestag zum Anlass nehmen, nicht nur an das Leid der Opfer, sondern an jüdisches Leben in unserem Bezirk zu erinnern.

1889 wurde die jüdische Kultusgemeinde Köpenick gegründet, zu der auch eine Reihe von Nachbarorten gehörten, und die erst 1930, also erst zehn Jahre nach der Gründung von Groß-Berlin, in die jüdische Gemeinde zu Berlin eingegliedert wurde. Gottesdienste wurden zunächst im Kaiserhof oder im Ratskeller abgehalten, weil ihr ein eigenes Gemeindehaus verwehrt worden war. Im Jahr 1910 wurde dann in der Freiheit 8 eine Synagoge nach Plänen von Adolf Sommerfeld errichtet und am 25. September 1910 geweiht. Die Synagoge wurde 1938 in den Novemberpogromen von SA-Angehörigen verwüstet und in Brand gesetzt und schließlich im Krieg fast vollständig zerstört, sodass sie 1945 abgetragen wurde. Sie steht deshalb zugleich für jüdisches Leben und das tragische Ende.

Über die Umstände der Errichtung der Synagoge sind so viele Einzelheiten gar nicht bekannt. Vielleicht lässt sich im Zusammenhang mit diesem Jubiläum noch einiges klären. Aber Adolf Sommerfeld, ein jüdischer Bauunternehmer, der sich später Andrew Sommerfield nannte, hat in der Region Spuren hinterlassen. Er arbeitete zusammen mit den Architekten Walter Gropius, Alfred Schild und Bruno Taut. In Zehlendorf baute er die Waldsiedlung Onkel Toms Hütte und sorgte für die Verlängerung der heutigen U-Bahn-Linie U3 vom Thielplatz bis Krumme Lanke. Sein hauptsächliches Tätigkeitsfeld war der suburbane, rationelle Wohnungs- und Siedlungsbau. Ab 1926 beschäftigte er sich intensiv mit dem Massenwohnbau als Lösung der städtebaulichen und sozialen Probleme und trat für die Rationalisierung des Baugewerbes ein. 1927 erwarb Sommerfeld in Kleinmachnow Land und errichtete einen neuen Stadtteil. Trotz seiner Emigration 1933 wurde die Siedlung bis 1938 vollendet. Sie wurde ganz pragmatisch als vorbildliche deutsche Kolonie von den Nazis gefeiert. Nach dem Krieg kehrte Sommerfield zurück und setzte seine Unternehmertätigkeit fort.

Die beklemmenden Ereignisse in Halle, wo eine Synagoge Ziel eines rechtsterroristischen Angriffs war, aber auch der Anschlag in Hanau, dem Menschen mit muslimischen Wurzeln zum Opfer fielen, machen uns alle fassungslos.

Erinnern wir uns auch vor diesem aktuellen Hintergrund in diesem Jahr an diesen jüdischen Teil unserer Heimatgeschichte, an das Leben, das verloren ging, als Mahnung daran, worin ausgrenzende und menschenverachtende Weltanschauungen münden können.