Rot-schwarzer Senat spart Bezirke kaputt

Die Bezirksverordnetenversammlung hat auf ihrer Sitzung am 19. September den Doppelhaushalt für die Jahre 2014/15 verabschiedet. Für die Fraktion DIE LINKE begründete Vorsitzender Philipp Wohlfeil das Abstimmungsverhalten. Seine Fraktion könne angesichts der chaotischen Zustände im Bereich Weitbildung und Kultur und der Streichung von bürgernahen Dienstleistungen nicht zustimmen. Hier wird das Manuskript seines Redebeitrags dokumentiert.

 

Die Bezirksverordnetenversammlung hat auf ihrer Sitzung am 19. September den Doppelhaushalt für die Jahre 2014/15 verabschiedet. Für die Fraktion DIE LINKE begründete Vorsitzender Philipp Wohlfeil das Abstimmungsverhalten. Seine Fraktion könne angesichts der chaotischen Zustände im Bereich Weitbildung und Kultur und der Streichung von bürgernahen Dienstleistungen nicht zustimmen. Hier wird das Manuskript seines Redebeitrags dokumentiert.

Herr Vorsteher, meine Damen und Herren,
weil die Bevölkerung wächst und die Konjunktur läuft, sprudeln im Land Berlin die Steuereinnahmen. Im ersten Halbjahr hat der Senat 730 Millionen Euro mehr eingenommen als erwartet. Gleichzeitig, und das ist ja eine unmittelbare Folge der Finanzkrise, die in Wahlkampfzeiten verschwiegen wird, sind die Belastungen aus Zinsen unterhalb der Wahrnehmungsgrenze. Der rot-rote Senat hat seinerzeit unter sehr viel schwierigeren äußeren Rahmenbedingungen die strukturellen Probleme der Stadt weitestgehend beseitigt, was am Rückgang des Primärdefizits auch nachweisbar ist. Das heißt, die finanzielle Situation von Berlin ist trotz des Desasters um die Eröffnung des Flughafens eine recht erfreuliche.

Treptow-Köpenick, als Teil dieser Stadt, hat davon aber nichts. Die Bezirke werden kaputt gespart: für die freiwilligen sozialen und kulturellen Leistungen stehen heute weniger Mittel zur Verfügung als unter rot-rot. Bürgernahe Dienstleistungen, das Bürgeramt in Grünau, Angebote im Volkshochschulbereich und die Jugendfreizeiteinrichtung ABC in Hirschgarten sind dem ersten rot-schwarzen Doppelhaushalt zum Opfer gefallen.

Deshalb werden die Leute für dumm verkauft, wenn eine Abgeordnete, die ja auch beste persönliche Beziehungen in diese BVV unterhält, im letzten Jahr eine Postkarte mit Sommergrüßen verteilt, auf der sie es als Erfolg der CDU feiert, dass die Bezirke angeblich besser ausgestattet würden. Tatsächlich ist es so, dass die Bezirke 2011 118 Millionen Euro gefordert haben, um ihre Leistungen auf dem Niveau des letzten rot-roten Doppelhaushalts fortführen zu können. Bekommen haben sie 50 Millionen, macht eine Schlechterausstattung von 68 Millionen Euro.  Im Haushalt, über den wir heute sprechen, rechnet das Bezirksamt mit 25 Millionen, die über die Bezirke verteilt werden, andere Bezirke sogar mit 50, ob die kommen, entscheidet die Koalition nach den Bundestagswahlen, hier besteht natürlich ein ernsthaftes Risiko.
Und wenn wir über das Verhältnis zwischen Senat und Bezirken sprechen, können wir die Personalpolitik nicht außen vor lassen und sie hat natürlich auch haushaltsmäßige Auswirkungen. Es klingt ja im ersten Moment überzeugend, die Stellen in der Bezirksverwaltung an die Einwohnerzahl zu koppeln. Aber natürlich hat Treptow-Köpenick als vergleichsweise dünn besiedelter Bezirk je Einwohner mehr Straßenland, mehr Grünflächen, mehr Dienstgebäude zu unterhalten und mehr Bauanträge zu bearbeiten als ein Innenstadtbezirk. Deshalb ist diese vermeintliche Logik ein Trugschluss. Und wenn dann nicht einmal die korrekten Bevölkerungszahlen zugrunde gelegt werden, dann muss man feststellen: es ist unerträglich, dass sich der Bezirk nicht rechtlich gegen diese Willkür zur Wehr setzen kann.
Diese Politik ist verbunden mit einem weiteren Abbau von Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger, es sind wichtige und sensible Aufgaben etwa im Kinder- und Verbraucherschutz gefährdet. Personal, das abgebaut ist, Stellen, die nicht besetzt sind, erbringen natürlich auch keine Produktmengen mehr, damit ist dann auch haushaltsmäßig eine Abwärtsspirale verbunden. Aufgefangen werden kann dies nur durch eine Privatisierung von Aufgaben. Das Personalabbaukonzept des Bezirksamtes liegt ja noch nicht der BVV vor, aber wir alle wissen, dass vor allem die Unterhaltung von Grünflächen privatisiert werden muss, um die Vorgaben der rot-schwarzen Koalition zu erfüllen - einem Bereich, in dem keine üppigen Gehälter gezahlt werden, in dem aber auch mal Menschen unterkommen sind, die in der Privatwirtschaft keine Chance erhalten hätten. Wirtschaftlich war dies vielleicht nicht immer vertretbar, menschlich aber wohl begründet.

Wenn wir uns den Eckwertebeschluss des Bezirksamtes ansehen und selbstverständlich unterstellen, dass die von Frau Feierabend und Herrn Klemm verantworteten Bereiche, bei der Verteilung der erwarteten zusätzlichen Mittel über das Produktsummenbudget hinaus nicht von der Zählgemeinschaft benachteiligt wurden, dann bestätigt sich auch hier, Linke können mit Geld gut umgehen, denn hier wird offenbar effizient gearbeitet.

Wer es offenbar nicht kann, ist Herr Simdorn. Ich muss Ihnen das sagen, eine solche Performance habe ich in den zwölf Jahren, die ich der BVV angehöre, noch nicht erlebt. Sie können einfachste Fragen zu dem von Ihnen verantworteten Haushaltbereich nicht beantworten. Ich habe Sie im Sportausschuss am 12. Juni gefragt, worin die Festsetzung in Höhe von 400 T Euro begründet ist, ich habe sie dies gestern gefragt. Sie wussten es beide Male nicht. Gestern musste Ihnen der Bezirksbürgermeister aushelfen.

Im Bibliotheksbereich orientieren sie sich an ihrem Parteifreund Thomas de Maizière: Erst Mitte diesen Jahres habe es Sie als Dezernenten erreicht, dass es da Probleme gäbe. Ich weiß nicht, ob das an Ihnen vorbeigegangen ist, aber am 27. Mai hat das Bezirksamt einen Eckwertebeschluss gefasst. Da steht drin, dass für das Amt für Weiterbildung und Kultur eine halbe Million Euro weniger zur Verfügung steht als 2012 ausgegeben worden ist. Das sollte doch eigentlich ein Punkt sein, an dem man mal nachfragt, was wir da jetzt machen. Am 15. Juli, anderthalb Monate nach dem Eckwertebeschluss im Bezirksamt, beantworten Sie eine Kleine Anfrage von Frau Ojeda wie folgt: „Die strukturellen Entwicklungen seit 2008 und die erkennbaren Veränderungen in den nächsten Jahren empfehlen die Fortschreibung des Bibliothekentwicklungsplans.“ Ja, Mensch, was haben Sie denn in der Zwischenzeit gemacht? Haben Sie gehofft, die BVV würde Ihnen aus der Patsche helfen und gesunde, effiziente Fachbereiche zu Ihren Gunsten kaputt kürzen?

Dann legen Sie nach mehrfacher Aufforderung durch Bezirksverordnete einen überhasteten Entwurf vor, mit dem Sie mehr Schaden anrichten als erkennbar eine Lösung anzudeuten, wie Sie die Produktmengen erhöhen und die Kosten senken wollen. Im Gegenteil Sie reißen mit dem Vorschlag, das soziokulturelle Zentrum in Altglienicke leerzuziehen, andere Fachbereiche mit rein, Sie verunsichern die Friedrichshagnerinnen und Friedrichshagener, indem  Sie andeuten, die Grundschule sei für ein Aus der Bibliothek verantwortlich und Sie drängen im Ausschuss auf nichtöffentliche Sitzungen, womit Sie das Misstrauen in der Bevölkerung erst Recht schüren.
In ihren anderen Bereichen wollen sie Honorare kürzen, um auch da künftig geringere Produktmengen zu erbringen. Herr Simdorn, Sie sind der Euro Hawk im Bezirksamt.
Ich will aber auch Dinge erwähnen, die ich gut finde:  Bei den freien Trägern im Jugend- und Sozialbereich wird es möglich sein, Tariferhöhungen bei den Beschäftigten durch höhere Zuwendungen auszugleichen.

Ich hoffe, dass der Kompromiss für Gutachten im Stadtplanungsbereich trägt. Allerdings müssen auch Herr Hölmer und seine Amtsleitung ihre bisherigen Positionen zum Thema Milieuschutz überdenken. Andernfalls wird der Bezirk von einem in Rede stehenden Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen nicht profitieren und kann Luxussanierungen und  Zweckentfremdung von Wohnraum, die er schon heute verbieten könnte, nicht verhindern. Hier ist der Bezirksstadtrat gefragt, die BVV hat ihren Beitrag geleistet.

Meine Fraktion hat in den meisten Fachausschüssen dem Haushalt zugestimmt, auch weil wir deutlich machen wollten, dass die meisten Fachbereiche gute Arbeit leisten und wir Vertrauen in sie haben. Aber angesichts der chaotischen Verhältnisse im Bereich Weiterbildung und Kultur, angesichts dessen, dass Land Berlin mehr Steuern einnimmt und die Bevölkerung wächst, gleichzeitig aber immer mehr bürgernahe Dienstleistungen abgebaut werden, können wir dem Haushalt so nicht zustimmen.