MfS-Überprüfung der Bezirksverordneten

Der Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung hat die Ergebnisse der Stasiüberprüfung der Verordneten vorgelegt.

Aus der Rede des Fraktionsvorsitzenden Philipp Wohlfeil zur bereits einmal erfolgen Überprüfung im Jahr 2015:

Herr Vorsteher, meine Damen und Herren,
einer der hier benannten Fälle betreffen die Fraktion DIE LINKE.

Der Fall, der in Spiegelstrich eins  der Vorlage behandelt wird, ist etwas anders gelagert und ich verhehle nicht, dass wir mit uns gerungen haben, ob wir den Namen öffentlich machen sollen oder nicht. Denn allein eine Karteikarte, wie die Stasiunterlagenbehörde selbst feststellt, ist kein Beleg für eine Zusammenarbeit mit dem MfS und diese wird von der Betroffenen auch vehement bestritten. Das Recht auf Datenschutz einer ehrenamtlichen Bezirksverordneten und ihrer Angehörigen sind hier gegen das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit auf Aufklärung und das Vertrauen in gewählte Mandatsträgerinnen und Mandatsträger abzuwägen. Wir sehen, dass letzteres überwiegt und wollen hier deshalb auch nichts verheimlichen. Ich bitte aber die Medienvertreterinnen und Medienvertreter um eine entsprechend angemessene und maßvolle Berichterstattung.

Zu Beginn der 1980’er Jahre gab es die Anfrage, ob sich der Ehemann von Edith Karge vorstellen könne, Aufgaben innerhalb eines UNESCO-Projektes zu übernehmen, in das auch die DDR eingebunden war. Die Koordination dieses Projektes erfolgte vom Sitz der Schweizer UNESCO-Kommission in Bern aus. Die Familie hätte dafür einige Zeit dorthin ziehen müssen. In diesem Zusammenhang fand ein, wie es vermutlich vor der Aufnahme von Tätigkeiten im nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet üblich war, Gespräch der Eheleute mit Mitarbeitern des MfS statt. Dieses Gespräch war nicht besonders freundlich. Ihnen wurde bedeutet, dass sie schon in die Schweiz reisen könnten, der älteste der drei Söhne aber, der schon zur Schule ging, müsse als Pfand in der DDR bleiben. Das hat Frau Karge selbstverständlich abgelehnt, der Einsatz in der Schweiz kam nicht zustande. Das erklärt nicht, weshalb sie über vier Jahre hinweg als „Gesellschaftlicher Mitarbeiter für Sicherheit“ geführt wurde. Wahrscheinlich wurde der Vorgang einfach erst nach vier Jahren geschlossen, als klar war, dass eine Versetzung des Ehemanns ins Ausland nicht in Frage kommt. Der Zusammenhang mit dieser Begebenheit erscheint aber schlüssig, weil diese Karteikarte als Bestandteil der „Rosenholz“-Datei, die die CIA der Bundesrepublik übergeben hatte, aufgetaucht ist. Darin handelt es sich ausschließlich um solche der Hauptverwaltung Aufklärung, also auch hier nicht um Bespitzelungen innerhalb der DDR.

Zur Einordnung der Rosenholzdateien ein Zitat aus der Studie „Rosenholz – eine Quellenkritik“ von Helmut Müller-Enbergs aus dem Jahr 2007 veröffentlicht von der Stasiunterlagenbehörde:

Den größten Teil der »Rosenholz«-Unterlagen, die der Stasi-Unterlagen-Behörde heute vorliegen, bilden rund 293 000 Karteikarten aus der Personenkartei der HV A. Die HV A erfasste darin Personen, die für sie von Bedeutung waren. Intern trugen diese Karteikarten die Bezeichnung Form/Formblatt 16 (»F 16«). Sie enthalten den Namen und die persönlichen Daten einer Person sowie eine Registriernummer. In der F 16-Kartei wurden nicht nur inoffizielle Mitarbeiter (IM) der HV A verzeichnet, sondern auch Personen aus deren Umfeld und die Daten von Menschen, für die sich die HV A aus unterschiedlichen Gründen interessierte. Häufig wurden mehrere Personen unter einer Registriernummer geführt. Auch zu fiktiven Personalien wurden Karteikarten angelegt. Es ist deshalb nicht ohne Weiteres möglich, gezielt die Inoffiziellen Mitarbeiter in dieser Kartei zu identifizieren.

Also abschließend zu Frau Karge: Es liegen weder Personalakte, noch Verpflichtungserklärung oder von ihr verfasste Berichte vor. Nach allen üblichen Maßstäben gilt sie damit als unbelastet.

Es ist nicht erkennbar, dass die genannte Verordnete das Vertrauen von Familienangehörigen, Freunden, Nachbarn oder Kollegen missbraucht oder ihnen sogar geschadet habe.

Ohne, wenn Sie mir den Bezug gestatten, dies gleichsetzen oder ablenken zu wollen, aber gerade vor diesem Hintergrund müssen wir in einer Demokratie geheimdienstliche Aktivitäten, wie die Überwachung von Abgeordneten, das Versagen der Verfassungsschutzämter bei den NSU-Morden und die bedingungslose Kooperation zwischen BND und NSA, besonders kritisch hinterfragen und sensibel bleiben. Es scheint, einen grundsätzlichen Widerspruch zwischen demokratischer Kontrolle und Legitimation und Freiheit auf der einen Seite und geheimdienstlicher Tätigkeit andererseits zu geben.

Die DDR und der Staatssozialismus der SED sind an den Repressionen gegen die eigene Bevölkerung moralisch gescheitert.